Stadtumbau in DDR-Siedlungen - Fazit

1. Allgemeines

In den neuen Bundesländern befinden sich rund 2,4 Millionen Wohnungen, die während der DDR-Zeit errichtet worden sind. Diese Bestände zeichnen sich durch unterschiedliche Charakteristika und Qualitäten aus. Einerseits wurden die Wohnungen der DDR-Zeit in den unterschiedlichsten Bauweisen errichtet. Zum Einsatz kamen die traditionelle Bauweise, die Großblockbauweise, die Streifenbauweise, die Plattenbauweise, Stahlbeton-Skelett-Konstruktionen und monolitische Stahlbeton-Bauweisen. Zudem gab es innerhalb dieser Bauweisen nochmals die unterschiedlichsten Bautypen mit verschiedenen Qualitäten.

Andererseits wurden die Wohngebiete der DDR-Zeit nach unterschiedlichen städtebaulichen Leitbildern errichtet. Die Wohngebiete der 1950er Jahre zeichnen sich häufig durch die Verbindung von traditionellen Straßen- und Platzformen mit großzügigen Grünflächen und Blockinnenbereichen aus. In den 1960er Jahren dominierte eine aufgelockerte Zeilenbebauung mit üppigen Grünzügen, die in etlichen Siedlungen durch zentral angeordnete Punkthochhäuser akzentuiert wurde. In den 1970er Jahren gab es Bemühungen, abwechslungsreichere Raumbildungen und geschlossenere Baustrukturen zu schaffen. In vielen Siedlungen aus dieser Zeit findet man fließende Räume, die durch ein Wechselspiel aus mäanderförmigen Wohnschlangen und Punkthochhäusern gesäumt werden. In den 1980er Jahren dagegen war eine Rückkehr zu traditionelleren Stadträumen zu verzeichnen. Nunmehr bemühten sich die Stadtplaner um die Ausbildung von kleinteiligen Straßen- und Platzräumen sowie geschlossenen Karrees.

All diese Charakteristika haben zur Folge, dass die Siedlungen der DDR-Zeit sehr facettenreich sind und deshalb die unterschiedlichsten Vor- und Nachteile bieten. Dennoch lassen sich in den Siedlungen des DDR-Wohnungsbaues auch eine Reihe von Gemeinsamkeiten finden.

2. Vor- und Nachteile der DDR-Siedlungen

2.1. Vorteile

Ein Vorteil, der vor allem für Gebäude des industriellen Wohnungsbaues zutrifft, sind die niedrigen Sanierungs- und Unterhaltungskosten. Die aus Stahlbeton zusammengesetzten Gebäude bieten eine gute Stabilität und weisen selbst nach längerem Leerstand nur geringe Bauschäden auf. Probleme, die bei leer stehenden Altbauten an der Tagesordnung sind, wie Schwammbefall, undichte Dächer, durchfeuchtete und schließlich durchbrochene Decken, sind im industriellen Wohnungsbau nicht zu finden. Schon aus diesem Grund erfordern industriell errichtete Wohngebäude häufig nur unterdurchschnittliche Sanierungskosten. Zudem bieten diese Gebäude auch im unsanierten Zustand eine Reihe von Ausstattungsstandards, die im unsanierten Altbau oft fehlen. Sie bieten Wohnungen mit Bädern, Balkonen, Müllschluckern und Aufzügen, die keineswegs unattraktiv sein müssen. Aus diesem Grund kann die Sanierung derartiger Gebäude nachfragegerecht dosiert werden. Möglich sind preiswerte Sanierungen, die entsprechend niedrige Mieten ermöglichen, aber auch aufwendige Sanierungen, die hohe Mieten zur Folge haben. Im Altbau sind dagegen oft teuere Vollsanierungen unumgänglich. Ein weiterer Vorzug ist die starke Normierung des industriellen Wohnungsbaues. In diesen Gebäuden gibt es einheitliche Maße für Fenster, Türen, Balkone, Aufzüge und Rohrleitungen. All diese Elemente können deshalb für Sanierungsarbeiten in großen Stückzahlen und daher preisgünstig beschafft werden.

Der zweiter Vorteil vieler DDR-Gebäude ist die Flexibilität der Bausubstanz. Vor allem die Plattenbauweise bietet große Freiräume bei der Grundrissgestaltung. Denn Plattenbauten sind aus Modulen zusammengesetzt, innerhalb derer die Wände beliebig versetzt werden können. Aber auch in tragende Wände und Decken können Öffnungen hineingesägt werden. Dank dieser Möglichkeiten können im Plattenbau eine Vielzahl von Grundrissvarianten verwirklicht werden. Oft ist es sogar möglich, die Wohnungsgrundrisse nach den Wünschen des Mieters zu gestalten.

Der dritte Vorteil der DDR-Gebäude sind die Möglichkeiten der energetischen Gebäudesanierung. Denn viele von diesen Wohngebäuden stehen in der Regel nicht unter Denkmalschutz und können deshalb problemlos mit Wärmeschutzfassaden verkleidet und Wärmeschutzfenstern ausgestattet werden. Zudem ermöglichen der fehlende Denkmalschutz den unbegrenzten Anbau von Solarkollektoren und Fotovoltaikanlagen.

Der vierte Vorteil hat mit der Verkehrserschließung vieler DDR-Siedlungen zu tun. In der Regel zeichnen sich diese Siedlungen durch eine durchdachte, der Wohnruhe verpflichteten Führung des Straßenverkehrs aus. Die lauten Hauptstraßen werden aus Lärmschutzgründen meist an den Rändern der Wohngebiete geführt, in der Regel befinden sich zwischen den Hauptstraßen und den nächsten Wohngebäuden große Abstandsflächen, die den Lärmschutz verbessern. Die Erschließung der Wohngebiete wird dagegen durch ruhige Wohnstraßen übernommen, die meist als Sackgassen oder Schleifen in die Wohngebiete geführt werden und einen Durchgangsverkehr verhindern. Der Fußgängerverkehr dagegen wird meist unabhängig von den Straßen geführt. Auf diese Weise entstehen Fußwege, die den Straßenverkehr kaum queren. Diese Struktur bietet wesentliche Vorzüge. Einerseits werden die Wohnungen vor dem Verkehrslärm schützt. Andererseits finden die Bürger gefahrlose Fußwege vor, die gerade für Kinder und ältere Bürger eine Erleichterung darstellen.

Der fünfte Vorteil ist die städtebauliche Struktur der DDR-Siedlungen. Bei der Planung dieser Siedlungen mussten eine Reihe klar definierter Richtlinien zu der Größe der Grünflächen, der Spielplätze, der Parkplätze, der Mindestbesonnungszeiten, der Sportplätze und anderes mehr beachtet werden. Dank dieser Richtlinien bieten derartige Siedlungen heute meist ausreichende Grünflächen, Spielplätze, Parkplätze und helle Wohnungen. Komplettiert werden diese Vorzüge durch eine große Zahl an Kunstwerken, wie Plastiken, Reliefs und Springbrunnen, die die öffentlichen Räume deutlich aufwerten. Dank dieser Planungsphilosophie können viele DDR-Siedlungen mit attraktiven städtebaulichen Strukturen aufwarten. Gerade Wohnkomplexe aus den 1960er Jahren präsentieren sich heute als reizvolle Parksiedlungen mit großzügigen Grünzügen und einem reichen Baumbestand. Darüberhinaus ist es in vielen DDR-Siedlungen gelungen, ausgesprochen qualitätvolle städtebauliche Strukturen zu schaffen. Diese Wohnkomplexe zeichnen sich durch eine geschickte Einbeziehung von topografischen Gegebenheiten, von vorhandenen Wäldern, Baumalleen oder Gewässern aus. Beispielhaft für diese Qualitäten sind Wohngebiete wie Frankfurt/Oder - Neuberesinchen, Magdeburg - Neu Olvenstedt oder Dresden - Gorbitz. Besondere Vorzüge gewähren DDR-Siedlungen, die in landschaftlich reizvollen Lagen errichtet wurden. Diese Siedlungen bieten Wohnungen mit ausgesprochen attraktiven Fernblicken. Beispiele für diese Lagegunst sind Wohngebiete wie Dresden - Johannstadt Nord, Dresden - Zschertnitz, Chemnitz - Heckertgebiet, Gera - Lusan, Frankfurt/Oder - Halbe Stadt und viele andere.

Der sechste Vorteil ist der Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr. Viele DDR-Siedlungen werden optimal durch Straßenbahnlinien, S-Bahnlinien, U-Bahnlinien oder Buslinien erschlossen. In vielen Fällen wurde die Siedlungsstruktur von vornherein mit dem Ziel einer optimalen Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr geplant. Oft erstrecken sie sich bandartig entlang der Verkehrslinien und ermöglichen auf diese Weise eine optimale Erschließung aller Siedlungsteile durch den öffentlichen Nahverkehr.

Der siebente Vorteil ist die Ausstattung mit Infrastruktureinrichtungen. Fast alle DDR-Siedlungen bieten eine hervorragende Ausstattung mit Schulen, Kindergärten, Dienstleistungskomplexen und Ärztehäusern.

Der achte Vorteil betrifft die Verteilung der Funktionen. Fast alle derartigen Siedlungen zeichnen sich durch eine durchdachte Verteilung der einzelnen Funktionen aus, die Nutzungskonflikte minimiert. Die Handels-, Gastronomie- und Dienstleistungskomplexe befinden sich zwar im Zentrum der Wohngebiete, gleichzeitig wurden sie aber unabhängig von den Wohnhäusern errichtet. Dank dieser Struktur können Störungen der Wohnruhe durch den Anlieferverkehr oder den oft unvermeidlichen Lärm der Kunden und Restaurantbesucher vermieden werden.

Der neunte und vielleicht wichtigste Vorteil sind aber die Eigentumsverhältnisse in den DDR-Siedlungen. Denn in vielen dieser Siedlungen befinden sich die Wohngebäude im Eigentum weniger Großvermieter. In etlichen Siedlungen verfügen lediglich zwei Großvermieter, in der Regel die städtische Wohnungsbaugesellschaft und die Wohnungsbaugenossenschaft, über sämtliche Wohnungen. Diese Großvermieter sorgen oft für eine gute Bewirtschaftung der Gebäude und Freiflächen. Diese Unternehmen unterhalten ein dichtes Netz an Hauswartstützpunkten und Servicestellen, die den Mietern im Falle von Schäden oder Problemen weiterhelfen. Zahlreiche Vermieter bieten zudem noch weitere Extras an, die die Attraktivität der Siedlungen erhöhen. Es gibt Mietertreffs, die Ausflüge, Vorträge, Renten- und Sozialberatungen sowie diverse Kurse und Zirkel anbieten. Andere Wohnungsunternehmen betreiben Seniorenzentren, Jugendfreizeiteinrichtungen, Schwimmhallen oder Kindergärten.

Zudem hat die überschaubare Eigentümerstruktur zur Folge, dass ein Umbau dieser Siedlungen leichter zu organisieren ist. Die Absprache einer Stadtumbauplanung zwischen der Stadtverwaltung und zwei Großvermietern ist einfacher als die in vielen Altbauquartieren üblichen Abstimmungsprobleme zwischen der Stadtverwaltung und diversen Privateigentümern.

Allerdings gibt es auch DDR-Siedlungen, in denen es nach der Privatisierung von Wohnungsbeständen eine größere Zahl an Wohnungseigentümern gibt. Manche Privateigentümer vernachlässigen ihre Bestände und stellen deshalb ein Problem für die Entwicklung dieser Siedlungen dar.

2.2. Nachteile

Neben den Vorteilen sind die DDR-Siedlungen aber auch durch einige Nachteile geprägt. Ein Nachteil betrifft die Wohnungsgrundrisse. Die ursprünglichen Grundrisse vieler DDR- Wohnungen sind oft sehr undifferenziert und in vielen Fällen auch unattraktiv. Ein Problem sind vor allem die Ratio-Wohnungen. Um mehr größere Wohnungen bauen zu können, wurden bei Beibehaltung der Wohnungsgröße Zweizimmerwohnungen zu Dreizimmerwohnungen und Dreizimmerwohnungen zu Vierzimmerwohnungen umgeplant. Die Folge waren Wohnungen mit kleinen Zimmern, kleinen Küchen und Bädern ohne Fenster. Diese sehr knapp kalkulierten Wohnungen können heute durchaus gefragt sein. Allerdings besteht bei einer Konzentration derartiger Wohnungen in einem Wohngebiet auch immer die Gefahr der sozialen Segration Verstärkt wird diese Gefahr durch die Tatsache, dass in vielen DDR-Siedlungen fast keine Einfamilienhäuser vorhanden sind.

Ein zweiter Nachteil betrifft die in vielen DDR-Siedlungen vorhandenen Fünf- und Sechsgeschosser, die in der Regel nicht mit einem Aufzug ausgestattet sind. In vielen Städten wird der Wohnungsmarkt aber verstärkt durch Senioren geprägt, die Probleme mit dem Treppensteigen haben. Folgerichtig stehen die Wohnungen in den oberen Geschossen vieler Fünf- und Sechsgeschosser leer, während die unteren Geschosse nach wie vor gut vermietet sind.

Ein dritter Nachteil hängt mit der Belegungspolitik zusammen. In vielen Städten konzentrieren sich die belegungsgebundenen Wohnungen in den DDR-Siedlungen. Die Folge ist vielerorts ein überdurchschnittlicher Anteil sozial schwacher Bevölkerungsschichten, der im ungünstigen Fall einen Abwanderung von "Normalbürgern" und eine Abwärtsspirale auslösen kann.

Weitere Nachteile betreffen die einzelnen DDR-Siedlungen in unterschiedlichem Maße. Einige Wohngebiete weisen eine relativ hohe Bebauungsdichte auf. Dieses Problem tritt gelegentlich bei Wohnkomplexen aus den 1980er Jahren auf, deren Planung um zusätzliche Wohnblöcke erweitert worden war. Etliche Wohngebiete leiden unter Mängeln der Wohnumfeldgestaltung, die durch leer stehende und verwahrloste Handelskomplexe oder kaputte Brunnenanlagen noch verschärft werden. Ein häufiges Problem vieler Siedlungen ist das Fehlen attraktiver kultureller und gastronomischer Angebote. Zudem befinden sich gerade die Siedlungen aus den 1980er Jahren in einer Stadtrandlage. Diese Lage kann einerseits Vorteile, wie die Nähe zur Natur, bieten. Andererseits ist sie oft mit weiten Wegen in die Innenstadt und den dortigen Angeboten verbunden.

Zusätzliche Nachteile werden von etlichen Stadtplanern, Stadttheoretikern und Stadtpolitikern zur Diskussion gestellt. Sie beklagen erstens den Mangel an stadträumlichen Qualitäten, das Fehlen von klar gefassten "urbanen" Straßen- und Platzräumen, die eine Bühne für das städtische Leben bieten könnte. Die Folge wäre ein Mangel an "urbanem Flair".

Zweitens werden von vielen Experten die klar definierten Nutzungsstrukturen in vielen DDR-Siedlungen kritisiert. Sie bemängeln die klare Festlegung von Wohnräumen, Handelsflächen, Gastronomieobjekten, Gewerberäumen und anderen Nutzungen. Diese klaren Nutzungsvorgaben würden eine flexible Umnutzung von Räumen, die Ansiedlung von kleinen Gewerbeeinrichtungen, aber auch einen experimentellen Umgang mit Räumen erschweren. Die Folgen wären eine geringe Erlebnisqualität in vielen DDR-Siedlungen, ein Mangel an Überraschungen, der Eindruck, dass in vielen DDR-Siedlungen "nichts los" wäre.

Drittens stößt auch die Ästhetik der meist industriell errichteten Gebäude der DDR-Siedlungen auf Kritik. Einige Experten bescheinigen diesen Gebäuden eine einförmige Ästhetik und einen Mangel an Individualität. Diese Einförmigkeit würde im Widerspruch zu einer zunehmenden individualisierten Gesellschaft und wachsenden Selbstinszenierungs- und Lebensstilisierungsbedürfnissen ihrer Bürger stehen.

Viertens schließlich wird von zahlreichen Experten angenommen, dass die Struktur der DDR-Siedlungen den Anforderungen einer zukünftigen Wirtschaftsstruktur widersprechen würde. Demnach wurde sich derzeit in Deutschland ein fundamentaler Umbruch der Wirtschaftsstruktur vollziehen - weg von der Industriegesellschaft mit großen Unternehmen, regelmäßigen Arbeitszeiten und sozialen Sicherheiten - hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft mit kleinen, hochflexiblen Unternehmen, temporären Netzwerkstrukturen sowie einer zunehmenden Vermischung von Arbeitszeit und Freizeit. Die DDR-Siedlungen mit ihren starren, unflexiblen Strukturen würden den Anforderungen der neuen Dienstleistungsgesellschaft besonders schlecht entsprechen und deshalb zunehmend an Attraktivität einbüßen.

In der Praxis allerdings zeigt sich, dass diese vermeintlichen Nachteile entweder überhaupt nicht vorhanden sind oder von den Bewohnern als solche nicht wahrgenommen werden. Beispielsweise wünschen viele Bürger keineswegs ein "urbanes Wohnumfeld" mit spannenden Stadträumen und einem pulsierenden Stadtleben. Stattdessen schätzen viele von ihnen eine ruhige Wohnumgebung mit viel Grün, guter Luft, ausreichendem Parkplatzangebot. Auch die geringere Erlebnisqualität der DDR-Siedlungen wird oft nicht als Nachteil empfunden. Denn häufig sind die urbanen Zentren mit entsprechenden Erlebnisangeboten von den DDR-Siedlungen aus schnell erreichbar.

Auch die starren Raumnutzungen in vielen DDR-Siedlungen werden von vielen Bürgern keineswegs nur negativ bewertet. Im Gegenteil: Unkalkulierte Raumnutzungen, etwa durch laute Gastronomiebetriebe oder Jugendgruppen, werden von ihnen nicht als positive Überraschungen, sondern als unerwünschte Störungen wahrgenommen. In vielen DDR- Siedlungen gab und gibt es Konflikte zwischen den ruhebedürftigen Bewohnern und Jugendlichen, die den öffentlichen Raum für lautstarke abendliche Aufenthalte nutzen. In einigen DDR-Siedlungen wurden deshalb Maßnahmen wie das Abzäunen von Hofbereichen oder die Anlage von lärmgeschützten Jugendfreizeitflächen durchgeführt, die derartige Nutzungen einen Riegel vorschieben. Diese Ereignisse deuten darauf hin, daß viele Bürger keineswegs eine Flexibilisierung der Raumnutzungen, sondern im Gegenteil eine stärkere Reglementierung von Raumnutzungen wünschen.

Ebenfalls hat die Praxis gezeigt, dass individuelle Fassaden nur für einen Teil der Bürger wichtig sind, Viele andere Bürger suchen dagegen praktische, attraktive Wohnungen zu einem günstigen Preis- Leistungs-Verhältnis.

Ein ähnlich differenziertes Bild ergibt sich bei der Annahme eines Siegeszuges der Dienstleistungsgesellschaft. Zweifellos gibt es einzelne Großstadtquartiere, in denen eine flexible Dienstleistungsökonomie dominiert. Gleichzeitig gibt es aber nach wie vor große Industrieunternehmen, wachsende Gewerbegebiete und neue Industrieansiedlungen. Angesichts dieser Realitäten kann kaum von einem breiten Übergang zur Dienstleistungsgesellschaft ausgegangen werden.

Diese Fakten machen deutlich, dass die Negativurteile vieler Experten über DDR-Siedlungen häufig schwach fundiert und äußerst fragwürdig sind. Dennoch sind diese Urteile keineswegs bedeutungslos. Im Gegenteil: sie bilden häufig die Grundlage für medial verstärkte Debatten, in denen ein holzschnittartiges Bild der DDR-Siedlungen vermittelt wird. Häufig werden die Plattenbausiedlungen aus der DDR-Zeit gegen Gründerzeitviertel ausgespielt, wobei die Plattenbausiedlungen als Synonym für unattraktives Wohnen dienen, während die Gründerzeitviertel als Inbegriff der Attraktivität hingestellt werden. Obwohl in der Praxis in den Gründerzeitvierteln nur ein Bruchteil der Bevölkerung lebt und leben will, werden diese regelmäßig als einzig attraktive Wohnform gepriesen und alle Siedlungsformen an den Maßstäben der Gründerzeitquartiere gemessen. Eine differenzierte Analyse von Qualitäten und Defiziten, von Wohnwünschen, von zahlungskräftiger Nachfrage und Energieverbräuchen, von landschaftlicher Lage, Verkehrsanbindungen und Wohnqualitäten bleibt bei dieser Schwarz-Weiß-Malerei häufig auf der Strecke. Dieser Zeitgeist wirkt sich in einigen Städten auch auf den praktischen Umgang mit den DDR-Siedlungen aus.

3. Stadtumbaustrategien

3.1. Bauliche Aufwertung der Wohngebäude

3.1.1. Teilrückbauten

Was kann also getan werden, um die DDR-Siedlungen attraktiver zu gestalten? In der Praxis werden vielfältige Aufwertungsstrategien verwirklicht. Eine Strategie betrifft die Aufwertung der Wohngebäude. Da vor allem Plattenbauten über eine große Flexibilität verfügen, wurden unterschiedliche Varianten des Umbaus realisiert.

Der Leerstand in den oberen Etagen von Wohnblöcken ohne Aufzug wurde durch den Teilrückbau der oberen Geschosse reduziert. Dieser Rückbau ließ sich fast immer problemlos realisieren. Unterschiedliche Lösungen wurden für das neue Dach entwickelt. Ein Teil der rückgebauten Gebäude wurde mit neuen Flach- oder Satteldächern versehen, bei einem anderen Teil wurde das vorhandene Dach samt dem Drempelgeschoss wiederverwendet.

3.1.2. Terrassenhäuser

In zahlreichen Fällen wurde der Teilrückbau der oberen Geschosse mit der Schaffung von großzügigen Dachterrassen verbunden. Häufig wurde nur ein Teil der oberen Geschosse abgerissen, während der übriggebliebene Teil zu Penthauswohnungen mit Dachterrassen umgebaut wurde. Andere Wohnungsunternehmen ergänzten ihre Wohnblöcke um neue Penthäuser mit Dachterrassen, die einfach auf das bestehende Gebäude aufgesetzt wurde. Auf diese Weise konnten sehr attraktive Wohnangebote geschaffen werden, die den in vielen DDR-Siedlungen vorhandenen Mangel an anspruchsvollen Wohnungen reduzierten.

3.1.3. Aufzugeinbau

Zudem wurde eine große Bandbreite an Aufzugeinbauten realisiert. Bei zahlreichen Wohnblöcken, vor allem der Typen WBS 70 und P 1, wurden Aufzüge an die Treppenhäuser angebaut. Bei anderen Wohnblöcken wurden neue Aufzugsschächte in die Baukörper hineingestemmt und dort innenliegende Aufzüge montiert. Eine besonders preiswerte Variante der Aufzugsnachrüstung ist im Typ P 2 möglich. Hier können kleine Aufzüge in das Treppenauge eingefügt werden. Diese bieten zwar nur maximal vier Personen Platz, für einen Fünf- oder Sechsgeschosser ist diese Größe aber meist ausreichend. Ergänzt wird der Aufzugeinbau durch eine neue Entrauchungsanlage, da der bisherige Rauchabzug über das Treppenauge dann nicht mehr möglich ist.

3.1.4. Geschosstilllegungen

Viele Wohnungsunternehmen hatten zwar mit dem Problem hoher Leerstände in den oberen Etagen zu kämpfen. Andererseits fehlte ihnen das Geld für einen Teilrückbau von Wohnblöcken oder einen Aufzugeinbau. Diese Wohnungsunternehmen behalfen sich mit einer Stilllegung der oberen Geschosse. Ein Teil der stillgelegten Wohnungen wurde zu Boden- oder Trockenräumen für die Mieter umgebaut, die in der Regel auch gut angenommen wurden. Andere Wohnungen wurden dagegen komplett stillgelegt.

3.1.5. Grundrissänderungen

Weitere bauliche Veränderungen haben das Ziel, die oft knapp bemessenen und eintönigen Wohnungsgrundrisse vielfältiger zu gestalten. Enge Wohnungen mit innenliegenden Küchen und Bädern werden durch die Versetzung und Beseitigung von Wänden zu großzügigen Wohnungen mit natürlich belichteten Küchen und Bädern umgebaut. Häufig werden Grundrissänderungen mit Teilrückbauten kombiniert. Auf diese Weise entstehen Stadtvillen, Reihenhäuser oder Terrassenhäuser, die großzügige Wohnungen mit großen Dachterrassen bieten. In mehreren Fällen wurden Plattenbauten sogar zu ausgesprochen luxuriösen Wohnanlagen mit Galerie- und Maisonette-Wohnungen umgebaut. All diese Umbauten ließen sich in der Regel problemlos verwirklichen, da vor allem die Plattenbauweise dank ihrer modularen Bauweise eine enorme Flexibilität zulässt. Nichttragende Wände können problemlos entfernt oder versetzt werden, aber auch tragende Wände können bei Verwendung von Stahlträgern mit Öffnungen versehen werden. Sogar die teilweise Entfernung von Deckenelementen für den Bau von Galeriewohnungen erwies sich als machbar. Ebenfalls möglich sind Veränderungen der Fassade, wie die Vergrößerung von Fensterformaten oder der Anbau zusätzlicher Balkone.

3.1.6. Energetische Sanierung

Eine weitere Herausforderung stellen die steigenden Energiepreise dar. Diese Herausforderung kann durch eine große Bandbreite energetischer Sanierungen bewältigt werden. Sie reicht von dem Anbau von Wärmedämmfassaden über die Schaffung von Solarkollektoren und Fotovoltaikanlagen bis hin zu Systemen der Wärmerückgewinnung. All diese Maßnahmen können in Gebäuden des industriellen Wohnungsbaues besonders leicht realisiert werden, da diese in der Regel nicht unter Denkmalschutz stehen und deshalb problemlos mit Wärmedämmfassaden und anderen Energiesparmaßnahmen versehen werden können.

3.1.7. Umbau zu altenfreundlichen Wohnanlagen

Eine wichtige Maßnahme in vielen DDR-Siedlungen ist der Umbau für die Bedürfnisse der wachsenden Zahl älterer Bürger. Auch diese Herausforderung kann dank der Flexibilität vor allem der Plattenbauweise bewältigt werden. Problemlos möglich ist die barrierefreie Gestaltung von Wohnungen und der Einbau von Aufzügen. Häufig werden in altenfreundlichen Wohnblöcken auch Serviceangebote, wie Pflegedienste, Ärzte, Notrufmelder oder Conciergedienste integriert, die auch diverse Besorgungen für die Bewohner erledigen. Zudem bieten gerade die DDR-Siedlungen besonders gute Bedingungen für Senioren, da sie sowohl über gute Einkaufsmöglichkeiten, medizinische Angebote, Anbindungen an den öffentlichen Verkehr als auch über verkehrsfreie Fußwege und ruhige Wohnlagen verfügen.

3.1.8. Ersatzneubauten

Allerdings sind besonders radikale Veränderungen der vorhandenen Bausubstanz oft mit hohen Kosten verbunden. Deshalb kann dann, wenn besonders tiefgreifende Eingriffe gewünscht werden, auch an Abriss der vorhandenen Wohnblöcke und eine anschließende Neubebauung der Abrissflächen sinnvoll sein. Bei dieser Variante kann immerhin die vorhandene Infrastruktur nachgenutzt werden. Häufig ist es sogar möglich, die Kellergeschosse zu erhalten und bei einer anschließenden Neubebauung wiederzuverwenden. Auf diese Weise können nicht nur Baukosten eingespart, sondern auch Leitungen, die häufig in den Kellergängen verlegt sind, erhalten werden.

3.1.9. Erweiterungsneubauten

In zahlreichen Fällen wurden die DDR-Siedlungen auch durch ergänzende Neubauten auf bisher unbebauten Flächen erweitert. Sowohl der Neubau von Einfamilienhäusern als auch der Bau von anspruchsvollen Mehrfamilienhäusern kann dazu beitragen, diese Siedlungen vielfältiger und damit auch sozial stabiler zu machen. Oft gelingt sogar eine produktive Symbiose: Neubauten profitieren von der guten Infrastruktur der Siedlungen und die DDR-Siedlungen profitieren von den neuen Einwohnern, die oft eine bessere Auslastung der vorhandenen Schulen, Kindergärten und Einkaufsmöglichkeiten gestatten.

3.2. Aufwertung des Wohnumfeldes

Ebenso wichtig wie die bauliche Aufwertung der Wohngebäude ist die Aufwertung des Wohnumfeldes. Gepflegte Freiflächen und öffentliche Räume sind oft entscheidend für die Wohnzufriedenheitder Bürger. Wichtig ist deshalb ein koordiniertes Vorgehen der Wohnungseigentümer und der Stadtverwaltung bei der Pflege der Freiräume. Eine große Bedeutung für den Charakter der Siedlungen haben auch die oft zahlreich vorhandenen Kunstwerke und Brunnenanlagen. Diese sollten unbedingt gepflegt und betrieben werden.

In einigen besonders dicht bebauten Wohnsiedlungen kann eine Aufwertung des öffentlichen Raumes auch durch den Abriss einzelner Wohnblöcke erreicht werden. Dieser Abriss ist aber nur dann sinnvoll, wenn ihm ein städtebauliches Konzept zugrundeliegt und wenn die Abrissflächen anschließend attraktiv gestaltet werden.

3.3. Aufwertung der Infrastruktur

Eine entscheidende Maßnahme für die Stärkung der DDR-Siedlungen ist die Aufwertung der Infrastruktur. Denn oft ist das Angebot an Schulen, an Kindergärten, an Jugendzentren, an Seniorenzentren, an Schwimmhallen ein wichtiger Bleibe- oder Umzugsgrund. Deshalb bemühen sich viele Städte um die Sanierung oder gar den Neubau derartiger Einrichtungen. Oft leisten sogar die Wohnungseigentümer einen eigenen Beitrag zur Stärkung der Infrastruktur, indem sie etwa Schulen oder Kindergärten in Eigenregie bauen oder sanieren.

3.4. Verbesserung der Anbindung an den ÖPNV

Ein weiterer Aufwertungsschwerpunkt betrifft die Anbindung der DDR-Siedlungen an den öffentlichen Nahverkehr. In vielen Wohngebieten ist diese Anbindung hervorragend. In einigen Siedlungen bestanden allerdings nur mangelhafte öffentliche Verkehrsverbindungen, die vor allem durch den Neubau von Straßenbahnlinien verbessert werden konnten.

3.5. Komplexe Aufwertungsstrategien

Besonders erfolgreich war eine Aufwertung der DDR-Wohngebiete immer dort, wo komplexe Aufwertungsstrategien verwirklicht wurden. Dank der überschaubaren Eigentümerstrukturen war ein koordiniertes Vorgehen von Stadt und Wohnungseigentümern in vielen DDR-Siedlungen viel leichter zu realisieren ist als zum Beispiel in Altbauquartieren. Diese Lage machte eine koordinierte Aufwertung der Gebäudesubstanz, des Wohnumfeldes und der Infrastruktur möglich. Gerade dieses Vorgehen hat in zahlreichen Siedlungen zu einer nachhaltigen Stärkung gefährdeter Siedlungen geführt.

3.6. Belegungspolitik

Weiterhin sind viele Wohnungsunternehmen bemüht, ihre Aufwertungsmaßnahmen mit einer ausgleichenden Belegungspolitik zu verbinden. Im Rahmen einer derartigen Strategie wird versucht, sowohl sozial schwache als auch einkommensstärkere Bevölkerungsschichten gleichmäßig über alle Stadtteile zu verteilen. In der Praxis allerdings sind diese Bemühungen nur in jenen Städten erfolgreich, in denen die kommunalen Wohnungsunternehmen über große, über alle Stadtteile verteilte Bestände verfügen. In den anderen Städten dagegen stoßen derartige Bemühungen immer wieder an Grenzen. Dort gibt es häufig große Altbaugebiete, in denen private Wohnhäuser dominieren, für die kaum Belegungsrechte geltend gemacht werden können. Die Folge ist eine Verfestigung der sozialen Spaltung.

3.7. Flächige Abrisse

Einige Städte allerdings setzen nicht auf die Stärkung und Aufwertung, sondern auf einen flächigen Abriss von DDR-Siedlungen. Die Befürworter von flächigen Abrissen erwarten von dieser Strategie vor allem drei Wirkungen. Eine erwartete Wirkung ist eine Senkung der Abrisskosten. In der Regel sind die Kosten für einen Totalabriss niedriger als die Kosten für den Umbau eines Gebäudes. Der flächige Abriss wird deshalb als Möglichkeit gesehen, um mit möglichst geringen finanziellen Mitteln möglichst hohe Abrisszahlen zu realisieren. Als zweite Wirkung wird eine bessere Auslastung der städtischen Infrastruktur erhofft. Ein flächiger Abriss würde nach Ansicht seiner Befürworter eine Verkleinerung der Wasser-, Abwasser-, Fernwärme- und Straßenbahnnetze ermöglichen. Folgerichtig würden geringere Kosten für die Unterhaltung und den Betrieb dieser Netze anfallen - mit positiven Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit der Infrastruktur. Drittens schließlich erhoffen viele seiner Anhänger vom flächigen Abriss eine Stärkung der Altstadtbereiche. Ein flächiger Abriss würde einen Umzug von Bewohnern von DDR- Siedlungen in die Altstadtbereiche fördern und auf diese Weise die Altstädte stärken.

In der Praxis allerdings haben sich die flächigen Abrisse oft als erfolglos und kontraproduktiv erwiesen. Zwar können flächige Abrisse in Einzelfällen durchaus sinnvoll sein. Einige kleine, schlecht erschlossene und isoliert gelegene Wohnanlagen erwiesen sich als unbeliebt und unwirtschaftlich. In diesen Fällen konnte ein flächiger Abriss durchaus sinnvoll sein. In anderen Fällen allerdings wurden auch in attraktiven, gut erschlossenen Siedlungen flächige Abrissmaßnahmen durchgeführt, die keineswegs die erhofften Wirkungen brachten. Zwar ist es tatsächlich gelungen, durch flächige Abrisse hohe Abrisszahlen zu erreichen. Doch alle anderen Ziele wurden verfehlt. Die Wirtschaftlichkeit der Stadt wurde durch die flächigen Abrisse nicht erhöht, sondern sogar verringert. Denn viele Infrastrukturnetze lassen sich keineswegs von außen nach innen zurückbauen. Heizkraftwerke, Klärwerke oder Straßenbahnbetriebshöfe befinden sich in der Regel nicht in der Stadtmitte, sondern am Stadtrand. Die dorthin führenden Leitungen oder Strecken können also auf keinen Fall zurückgebaut werden. Zudem benötigen Klärwerke, Heizkraftwerke oder auch Straßenbahnlinien eine bestimmte Mindestnachfrage, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Viele DDR-Siedlungen sind besonders gut an das Straßenbahn- und Fernwärmenetz angeschlossen. Die Nachfrage der DDR-Siedlungen ist deshalb ganz entscheidend für die Wirtschaftlichkeit gerade der Fernwärme- und Straßenbahnnetze. Ein flächiger Abriss in diesen Gebieten führt zu einem massiven Rückgang der Fernwärmekunden und Straßenbahnfahrgästen. Folgerichtig nimmt die Wirtschaftlichkeit der entsprechenden Infrastrukturnetze dramatisch ab.

Ebenfalls verfehlt wurde das Ziel, Bewohner der DDR-Siedlungen in die Altstädte zu locken. Die Gründe für diesen Misserfolg werden im Kapitel zum Stadtumbau in Altstadtkernen dargestellt.

Die flächigen Abrisse erwiesen sich aber nicht nur als erfolglos, sondern als regelrecht kontraproduktiv. Häufig waren die flächigen Abrisse sogar mit schwer beherrschbaren, teilweise auch katastrophalen Nebenwirkungen verbunden.

Erstens führten die flächigen Abrisse oft zu einer Abwertung des betroffenen Stadtteiles. Die Folge war die verstärkte Abwanderung von Bürgern mit mittleren und höheren Einkommen, während die Bürger mit niedrigem Einkommen und sozialen Problemen oft im Stadtteil verblieben. Das Resultat war die Entstehung sozialer Brennpunkte, die auf die gesamte Stadt negativ ausstrahlen können.

Zweitens sind flächige Abrisse in der Regel nur dann realisierbar, wenn den Mietern der betroffenen Gebiete auch gegen ihren Willen gekündigt wird. Oft werden Bürger aus ihren Wohnungen vertrieben, ohne dass ihnen adäquate Ersatzwohnungen angeboten werden. Ersatzwohnungen werden zwar angeboten, doch sind diese entweder zu teuer, zu groß oder sie befinden sich in den unbeliebten oberen Geschossen. Zudem sind Zwangsumzüge gerade für ältere Bürger mit enormen Belastungen verbunden. Zu alledem erfordern Umzüge erhebliche Kosten, die oft nur teilweise vom Vermieter übernommen werden. Die Folge dieser Belastungen ist, dass viele betroffene Mieter gleich ganz die Stadt verlassen. Dieser Effekt tritt vor allem dann ein, wenn Mieter schon zum zweiten oder dritten Mal ihre Wohnung aufgrund von Abrissmaßnahmen verlassen müssen. Auf diese Weise führt der flächige Abriss zu einer Beschleunigung der Abwanderung.

Drittens wird der flächige Abriss oft gegen den Willen der betroffenen Mieter durchgesetzt. Diese Erfahrung der Ohnmacht schwächt die Identifikation der Bürger mit ihrer Stadt. Diese Lage verschärft sich noch, wenn Stadtplaner ihren Abrissplanungen nicht die Wünsche der Bürger, sondern ihre persönlichen Präferenzen zugrundelegen.

Viertens schließlich gefährden flächige Abrisse auch die Wirtschaftlichkeit von privaten und öffentlichen Angeboten. Schulen, Freizeitzentren, Kindergärten, Einkaufszentren, Schwimmhallen finden immer weniger Nutzer, mit der Folge, dass diese Einrichtungen oft schließen müssen. Die Schließung von öffentlichen und privaten Angeboten wiederum verringert die Attraktivität des Stadtteils, mit der Folge, dass der Bevölkerungsverlust zunimmt. Am Ende steht ein Teufelskreis aus sinkenden Bevölkerungszahlen und dem Abbau öffentlicher und privater Angebote.

Aufgrund dieser negativen Folgen sollten flächige Abrisse nur in Ausnahmefällen durchgeführt werden.

4. Finanzierungskonzepte für Aufwertungsmaßnahmen

4.1. Strategien gemeinnütziger Wohnungsunternehmen

Ein besonders schwieriger Punkt ist die Finanzierung von Aufwertungsmaßnahmen. Da viele Städte und Wohnungsunternehmen unter einer schwierigen Finanzlage leiden, stehen Gelder für die Aufwertung der DDR-Siedlungen oft nur eingeschränkt zur Verfügung. Auch Förderprogramme stellen oft keinen Ausweg aus der Misere dar. Denn häufig sind die Förderprogramme kontraproduktiv gestaltet. Das Programm "Stadtumbau Ost" ist durch eine bevorzugte Vergabe von Abrissgeldern gekennzeichnet. Die Abrissgelder werden durch den Bund und die Länder finanziert und können deshalb ohne Eigenanteil von den Kommunen in Anspruch genommen werden. Die Gelder für Aufwertungsmaßnahmen dagegen müssen zu einem Drittel von den Kommunen kofinanziert werden. Viele finanzschwache Kommunen sind aber zur Finanzierung dieses Eigenanteils nicht in der Lage. Folgerichtig können viele Kommunen die Aufwertungsgelder überhaupt nicht oder nur sehr beschränkt in Anspruch nehmen. Zu alldem ist das Programm "Stadtumbau Ost" durch sehr rigide und bürokratische Vorschriften geprägt, die eine flexible Födermittelvergabe erschweren.

Noch schwieriger wird die Lage, wenn die Kommunen und die Wohnungsunternehmen unterschiedliche Vorstellungen von der weiteren Stadtentwicklung haben. Beispielsweise haben einige Kommunen selbst attraktive und gut nachgefragte DDR-Siedlungen als Rückbaugebiete ausgewiesen. Die Folgen für die Wohnungsunternehmen, die über Bestände in den Rückbaugebieten verfügen, sind oft dramatisch. Sie haben nun überhaupt keine Chance mehr, Aufwertungsmittel aus dem Programm "Stadtumbau Ost" in Anspruch zu nehmen. Zudem ist nunmehr auch der Zugang zu Krediten der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) versperrt. Denn KfW-Kredite können nur mit Zustimmung der Stadt gewährt werden. Verweigert die Stadt die Zustimmung, dann hat das Wohnungsunternehmen keine Chance, KfW-Kredite zu erhalten.

Dennoch haben es besonders ideenreiche Wohnungsunternehmen verstanden, auch aufwendige Aufwertungsmaßnahmen zu finanzieren. Einigen Wohnungsunternehmen gelang eine Verbesserung der eigenen Ertragslage, dank derer die Finanzierung von Aufwertungsmaßnahmen auch ohne Fördermittel möglich wurde. Diese Erfolge wurden vor allem durch ein entschlossenes unternehmerisches Handeln erreicht: durch den Kampf von Mietern, durch den Eingehen auf Mieterwünsche, durch ein Angebot an ergänzenden Serviceleistungen, durch eine gute Bewirtschaftung der Wohnungen, durch die Sorge für das Wohnumfeld und durch den Kampf um Marktanteile.

Als hilfreich für die Finanzierung von Aufwertungsmaßnahmen haben sich zudem Sparvereine oder die Ausgabe von Wertpapieren erwiesen.

4.2. Privatisierungen

Wenn die Aufwertung oder der Erhalt von Wohnungsbeständen dennoch nicht finanzierbar ist, dann kann auch eine Privatisierung von Wohnungen die ultima ratio sein. Die Erfahrungen mit privaten Investoren in DDR-Siedlungen sind allerdings sehr unterschiedlich. Einige Privatinvestoren haben durchaus aufwendige Sanierungen von Wohnungen durchgeführt und dadurch erfolgreich zur Aufwertung der Siedlungen beigetragen. Andere Eigentümer haben dagegen ihre Objekte verfallen lassen und am Ende selbst die Vorauszahlungen für Heiz- und Betriebskosten nicht mehr an die Energieversorger überwiesen. Die betroffenen Mieter erlebten dann einen plötzlichen Stopp der Wasser- oder Fernwärmeversorgung. Zudem neigen Privatinvestoren häufig dazu, aufwendige Investitionen vor allem in ohnehin schon attraktiven Gebieten zu tätigen, während sie in weniger attraktiven Gebieten nur einfache Sanierungen durchführen. Soziale Segregationstendenzen werden durch diese Sanierungspraxis nochmals verstärkt. Deshalb sollten Wohngebäude nach Möglichkeit nur in überschaubaren Größen und nur an sorgfältig ausgewählte seriöse Investoren verkauft werden.

5. Resümee

Alles in allem hat der Stadtumbau in DDR-Siedlungen bewiesen, dass es durchaus möglich ist, DDR-Siedlungen zu attraktiven, zukunftsfähigen Wohngebieten zu entwickeln. DDR-Siedlungen können sich zu aufgelockerten, gut erschlossenen, energetisch günstigen und zudem wirtschaftlichen Wohngebieten entwickeln, die eine wichtige Ergänzung zu historischen Altstadtbereichen bilden können.

6. Handlungserfordernisse

A. Flexiblere Förderprogramme

Die ostdeutschen Kommunen sind durch eine große Vielfalt an Baustrukturen, Problemlagen und Bürgerwünschen geprägt. Diese unterschiedlichen Problemlagen erfordern vielfältige Stadtumbaukonzepte, die den jeweiligen Bedingungen vor Ort entsprechen müssen. Nötig sind deshalb flexible Förderprogramme, die den betroffenen Kommunen und Wohnungsunternehmen große Freiheiten bei der Verwendung der Fördermittel einräumen.

In der Praxis allerdings gewähren die Förderprogramme viel zu geringe Handlungsspielräume. Vor allem das Programm "Stadtumbau Ost" ist durch eine Vielzahl an Vorschriften bezüglich der Mittelvergabe und der Altschuldenentlastungen gekennzeichnet, die die Handlungsspielräume der Kommunen und Wohnungsunternehmen massiv einschränken. Die Bindung der Altschuldenentlastungen an Wohnungsabrisse nötigt viele Wohnungsunternehmen regelrecht zur Umsetzung rücksichtsloser Abrissstrategien. Aufgrund dieser Restriktionen erweisen sich behutsame, den örtlichen Bedingungen angepasste Stadtumbaukonzepte häufig als nicht finanzierbar. Beispielsweise scheitern erfolgversprechende Umbaumaßnahmen, wie Teilrückbauten oder der Umbau von Wohnblöcken zu Terrassenhäusern, regelmäßig an ungünstigen Förderbedingungen. Deshalb ist eine Flexibilisierung des Programms "Stadtumbau Ost" unbedingt notwendig. Über die Verwendung der Födergelder müssen künftig die Akteure vor Ort und nicht die Beamten des Bundesbauministeriums entscheiden. Ebenso wichtig ist eine Reform der Altschuldenentlastung. Sie muss in Zukunft bedingungslos gewährt werden.

B. Mehr Bürgerbeteiligung

In mehreren Städten ist der Stadtumbau derzeit durch eine völlig unzureichende Beteiligung der betroffenen Bürger gekennzeichnet. Stadtumbaukonzepte werden oft ohne Mitsprache der Bürger ausgearbeitet. Stadtplaner und Baupolitiker stellen ihre Konzepte als alternativlos dar, Bürgerwünsche bleiben unberücksichtigt, Proteste gegen Stadtumbaukonzepte werden ignoriert. In vielen Fällen werden Bürger sogar gegen ihren Willen aus ihren Wohnungen gekündigt. Die Folgen einer dermaßen autoritären Planungskultur ist Resignation und Politikverdrossenheit. In Halle-Neustadt etwa, einem Schwerpunkt des Stadtumbaus, beteiligten sich 2006 ganze 7 Prozent an der Oberbürgermeisterwahl.

Nötig ist deshalb die gesetzliche Fixierung effektiver Mechanismen der Bürgerbeteiligung. Es muss sichergestellt werden, dass Stadtumbaukonzepte nur mit Zustimmung der betroffenen Bürger erarbeitet und beschlossen werden können.

C. Kampf gegen die Schrumpfung

Die ostdeutschen Städte, und damit auch die DDR-Siedlungen, werden nur dann überleben können, wenn eine Überwindung der derzeitigen Schrumpfungsprozesse gelingt. Aktuell erleben mehrere ostdeutsche Städte einen Teufelskreis. Wo die Bevölkerung schrumpft, da verringert sich auch die Auslastung von öffentlichen und kommerziellen Angeboten. Folgerichtig werden Läden, Warenhäuser, Theater, Kinos und Restaurant geschlossen, Kultur- und Freizeitangebote werden ebenso abgebaut wie Schulen, Kindergärten oder Straßenbahnlinien. Die Folge ist ein Rückgang der Attraktivität der Stadt, der den Bevölkerungsrückgang nochmals beschleunigt.

Diese Abwärtsspirale muss überwunden werden. Nötig ist die Stärkung der Wirtschaft, der Ausbau von Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, aber auch die gezielte Anwerbung von Zuwanderern. Nur wenn es gelingt, neue Unternehmen und Bürger anzulocken, wird die Aufwertung der ostdeutschen Städte und damit auch der DDR- Siedlungen gelingen.