Artikel/Vorträge zum Stadtumbau - Bauwelt 29/2010
Umstritten

Welche Zukunft hat der Denkmalschutz in Sachsen? Über diese Frage wird derzeit erbittert gestritten. Auslöser der Debatte ist ein Entwurf des sächsischen Innenministeriums für eine Änderung des Denkmalschutzgesetzes vom März 2010, der eine deutliche Reduzierung des Denkmalschutzes bedeuten würde.

Eine wichtige Änderung betrifft die Denkmaleigenschaften. Derzeit werden Gebäude unter Denkmalschutz gestellt, die von geschichtlicher, künstlerischer, wissenschaftlicher, städtebaulicher oder landschaftsgestalterischer Bedeutung sind. In Zukunft soll die städtebauliche Bedeutung keine Rolle mehr spielen. Bauwerke, die aus städtebaulichen Gründen unter Denkmalschutz stehen, weil sie beispielsweise Teil einer geschlossenen Blockrandbebauung sind, könnten dann ihren Denkmalschutz verlieren.

Eine weitere Neuerung stellt die geplante Klassifizierung der Denkmale dar. Nach der bisherigen Regelung genießen alle Einzeldenkmale den gleichen Schutz und können nur im Einvernehmen mit den Oberen Denkmalbehörden abgerissen werden. In Zukunft dagegen soll zwischen einfachen Denkmalen und "Kulturdenkmalen von herausragender Bedeutung" unterschieden werden. Welchen Baudenkmalen eine herausragende Bedeutung zukommt, wird in dem Gesetzentwurf relativ vage formuliert, konkret benannt werden UNESCO-Welterbestätten und Baudenkmale von internationaler, nationaler und überörtlicher Bedeutung. Schätzungen des Innenministeriums gehen davon aus, dass ungefähr 30 Prozent der jetzigen Baudenkmale von herausragender Bedeutung sind. Für diese Bauten soll auch in Zukunft der jetzige Schutz gelten. Für die übrigen Baudenkmale wären dagegen einzig die Unteren Denkmalbehörden zuständig. Diese sind allerdings gegenüber den Bürgermeistern oder Landräten weisungsgebunden und können deshalb nur sehr eingeschränkt den Abriss von Baudenkmalen verhindern.

Weiterhin soll die Erhaltungspflicht für Eigentümer von Baudenkmalen deutlich eingeschränkt werden. Zukünftig gilt deren Erhalt nur noch dann als zumutbar, wenn die Erhaltungskosten durch die Erträge der Gebäude gedeckt werden können. Folgerichtig könnten die vielen unrentablen Baudenkmale in Sachsen künftig viel einfacher abgerissen werden. Flankiert werden die Änderungen durch eine personelle Ausdünnung der Denkmalbehörden.

Das sächsische Innenministerium begründet die Gesetzesnovelle mit dem Widerspruch zwischen den hohen Denkmalzahlen in Sachsen und den schwindenden Möglichkeiten des Denkmalerhalts. Insgesamt besitzt der Freistaat rund 105000 Einzeldenkmale. Spitzenreiter in Sachen Denkmalzahl ist Leipzig mit über 15000 Einzeldenkmalen, es folgen Städte wie Dresden mit 13000, Chemnitz mit 5000 und Görlitz mit 4000 Einzeldenkmalen. Zum Vergleich: Hamburg verfügt über 2800 und München über 7000 Einzeldenkmale.

Gleichzeitig hat Sachsen mit wachsenden Problemen bei dem Erhalt der Baudenkmale zu kämpfen. Nicht nur sinkende Einwohnerzahlen machen ihren Erhalt schwierig. Auch Forderungen nach niedrigen Heizenergieverbräuchen und barrierefreien Wohnungen für die wachsende Zahl an Senioren, die in denkmalgeschützten Gebäuden entweder überhaupt nicht oder nur sehr schwer zu verwirklichen sind, behindern den Erhalt von Baudenkmalen. Auch deshalb waren seit 1990 in Sachsen rund 3400 Denkmalabrisse zu beklagen. Selbst wertvollste Altstadthäuser aus der Renaissance- und Barockzeit wurden Opfer der Abrissbirne. Das sächsische Innenministerium sieht mit dem neuen Denkmalschutzgesetz bessere Chancen für den Erhalt dieser Altstadtkerne.

Allerdings stößt die Gesetzesnovelle auch auf Widerstand. Das deutsche Nationalkomitee des Internationalen Rates für Denkmalpflege (ICOMOS) protestierte ebenso wie der Freiberger Altertumsverein, der Verband der deutschen Kunsthistoriker, die Vereinigung der Landesdenkmalpfleger Deutschlands, der Arbeitskreis Theorie und Lehre der Denkmalpflege e.V. und andere Initiativen.

Die Gegner befürchten, dass das neue Gesetz den Schutz der Baudenkmale nicht verbessert, sondern verschlechtert. Besonders kritisch wird die Verknüpfung der Gesetzesänderung mit einer personellen Ausdünnung der Denkmalbehörden gesehen. Denn die geplante Unterscheidung zwischen herausragenden und einfachen Baudenkmalen würde ein qualifiziertes Personal in den Denkmalbehörden erfordern, das aber nach einer Ausdünnung der Denkmalbehörden fehlen würde. Am Ende könnte nicht die wissenschaftliche Expertise, sondern die politische Willkür darüber entscheiden, welche Baudenkmale als herausragend eingeschätzt werden und welche nicht.