Artikel/Vorträge zum Stadtumbau - Deutsche Bauzeitung 10/2011
"Erst denken, dann dämmen"

Spätestens seit der Katastrophe von Fukushima steht das Thema Energiesparen ganz oben auf der politischen Agenda. Besonders große Einsparpotenziale bietet der Gebäudebestand. Rund 40 Prozent des Endenergieverbrauchs in Deutschland werden durch Gebäude verursacht, 25 Prozent des Endenergieverbrauchs gehen auf Raumheizungen zurück. Daher war es nur folgerichtig, dass der Bund Deutscher Architekten (BDA) am 7. September in Potsdam ein Symposium zum Thema energetische Gebäudesanierung veranstaltet hat.

Tatsächlich wurde während der Veranstaltung deutlich, dass ein energetischer Stadtumbau machbar ist. Einen Modellfall für eine ökologische Stadtpolitik präsentierte Andreas Schulz, der Bürgermeister der brandenburgischen Stadt Hennigsdorf. Diese Stadt besteht vor allem aus Wohnsiedlungen aus der DDR-Zeit, zudem gehört ein Großteil der Gebäude der kommunalen Wohnungsgesellschaft und einer Genossenschaft. Diese Eigentumsverhältnisse ermöglichten eine systematische energetische Sanierung des gesamten Wohnungsbestandes. Die DDR-Plattenbauten konnten ohne Probleme mit effizienten Wärmedämm-Verbundsystemen und Wärmeschutzfenstern ausgestattet werden. Das Ergebnis sind vorbildliche Energiewerte.

Von ähnlichen Erfahrungen berichtete Maren Kern vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), die die energetische Sanierung des Märkischen Viertels in Berlin vorstellte. Auch hier war es eine große kommunale Wohnungsbaugesellschaft, die ganze Wohnblöcke zu Niedrigenergiehäusern umbauen ließ. Diese Beispiele illustrierten eindrucksvoll, das gerade die oft ungeliebten Großsiedlungen aus der Nachkriegszeit enorme ökologische Potenziale bieten.

Allerdings wurde während des Symposiums auch deutlich, dass der ökologische Stadtumbau vielerorts nicht funktioniert. Ein Beispiel bot der Essener Stadtdirektor Hans-Jürgen Best. Zwar bemüht sich auch die Stadt Essen um ökologische Umbaumaßnahmen. Doch derartige Konzepte stoßen immer wieder auf den Widerstand der zahlreichen privaten Hauseigentümer, die sich an energetischen Sanierungen nicht beteiligen wollen oder können.

Zu kurz kam bei dieser Veranstaltung allerdings die Frage, welche Rolle die Architekten bei der Umsetzung ökologischer Vorgaben spielen können. Mehr noch: In der folgenden Diskussion wurde deutlich, dass noch längst nicht alle Architekten auf die ökologischen Anforderungen der Zukunft eingestellt sind. Etliche Diskutanten betrachteten die energetische Gebäudesanierung nicht als eine Chance, sondern als eine Bedrohung, die mit allen Mitteln abgewehrt werden müsste. Bis zur Durchsetzung einer ökologischen Baukultur wird daher noch viel Überzeugungsarbeit nötig sein.

Matthias Grünzig